beim Schreiben
19. Juli 2013


Es mag dem Klischee entsprechen, dass Schriftsteller allzeit bereit nach dem Musenkuss ihr Notizbuch zücken und ihre neusten Gedanken notieren. Kuno Lauener antwortete auf die Frage, ob er, als literarischer Songwriter, schon daran gedacht hätte, einen Roman zu schreiben, dass dies eine romantische Vorstellung von ihm wäre, die ganze Wohnung mit Post-it-Zettlen zugepflastert zu haben, er jedoch in der Musik verhaftet wäre. Ich antwortete Kuno, dass die Post-it-Zettel an meinen Hirnwindungen angebracht wären, wohl so wie seine musikalischen Ideen.

Und doch, vor Jahresfrist beobachtete ich Urs Widmer beim Bellevue, wie er eifrig in sein Notizheft schrieb. Das Bild des ewig dichtenden Schriftstellers trifft die Wirklichkeit genauso gut wie das Vorurteil, dass es eine zurückgezogene Profession ist, bei der man bloss in der klösterlichen Abgeschiedenheit seine Inspiration findet. Für einen offenen Geist ist die Inspiration überall, weshalb Urs Widmer mitten im Feierabendgewimmel des Bellvues schreiben kann oder ich mich nach Flims zurückziehe, um in Ruhe schreiben zu können. Denn tagsüber bin ich in der Landschaft und nehme mein Notizheft mit zum Nachtessen, das ich um sieben Uhr beginne um zwischen den Gängen im Restaurant des Hotel Vorab zu schreiben.

Meine Testleser haben mir angegeben, dass ich bei «Noxius» streckenweise zu knapp formuliert hätte, und dass etwas mehr Fleisch am Knochen dem Ganzen gut tun würde. Besuche das Konzert von Sting bei Live at Sunset. Während Sting «De Do Do Do De Da Da Da» und «Roxanne» zum besten gibt, und das Publikum von seinen Sitzen aufsteht und mitklatscht, lehne ich mich in meinem Sessel zurück, geniesse die Liveversion der Musik, die ich als Sammler auf Tonkonserve habe, ziehe den geistigen Vorhang und skizziere den Verlauf der zu ergänzenden Kapitel nieder. Sting brauchte keine Viertelstunde für die beiden gut interpretierten und wie bei «Roxanne» neu arrangierte Songs zu spielen. Und doch habe ich während diesen zwei Songs die Rückblende ins Jahr 1988 verfasst – und noch beigeistert mitklatschen können.




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