Bern Bundesplatz


Bern Bundesplatz
altehrwürdige graubraune Mauern
umrahmen dich.
Geben einem das Gefühl
in einem Gefängnishof zu sein:
nahtlos fügt sich der graue Granit
an den grauen Asphalt.
Bern Bundesplatz
wo die Eminenzen in grauen Anzügen
aus grauen Limousinen steigen
und farblos
über den roten Teppich schreiten.
Bern Bundesplatz
früher war's nicht besser hier
als der gesamte Platz
mit Autos zuparkiert war,
es hatte lediglich mehr Farbe drauf.
Bloss nicht in meiner Erinnerung,
da ist der Platz auch grau.
Was am damaligen Wetter lag.

Bern Bundesplatz
nur grauer Stein und grauer Grund
mit grauem Himmel.
Das ist der graue Hauptlatz einer steinernen Nation.
Bern Bundesplatz
besser repräsentiert wirst du nirgendwo.
Die perfekte Symbiose aus Granit und Asphalt.
Wie beim Gotthard,
dem Herzen der Nation.
Grau und hart ist der Fels,
schwarz und endlos das Loch.
Bern Bundesplatz
hohe Berge versperren mir den Horizont.
Schweiz, bist du das?
Schweiz, lebe ich wirklich hier?
Mit dir, Helvetia, Herzdame Europas?

Bern Bundesplatz
«Jetez un coup d’oeil» steht auf einem Transparent.
Betrete trotz der Einladung das Bundeshaus nicht.
Lass mir von der Anti-Osama-Laibacher-Anlage
nicht mein Interview auf der Minidisc löschen.
Bern Bundesplatz
Trete auf die Strasse, der Platz ist jetzt ja autofrei.
Renovationen haben ihr Gutes.
So wird es auch mit dem Bundeshaus sein.
Da höre ich die Stimme ein erstes Mal:
«Obacht! En Momänt warte bitte!»
Was soll das? Diese Aufforderung gilt nicht mir.

«Obacht! En Momänt warte bitte!»
«Obacht! En Momänt warte bitte!»


Ich sag euch eines:
in Bern, da ist so manches nicht ganz normal.
Da drehe ich mich nach dieser Stimme um
und muss um mein Leben fürchten.
Ein Golf der Polizei mit Blaulicht,
gefolgt von einer schwarzen S-Klasse,
einem weiteren polizeilichen Golfer
und einer weiteren S-Klasse am Schluss
fahren auf mich zu.
Was tun als braver Staatsbürger?
Einen Moment warten wie befohlen?
Oder gegen die Order der Obrigkeit verstossen?

Stehenbleiben:
Sehe schon die Schlagzeile vor mir:
«Bundesratseskorte überfährt Fussgänger».
Oder stehenbleiben
mit der Schlagzeile:
«Bundesratseskorte überfährt bei Ausweichmanöver
mehrere Passanten».
Oder noch besser: tatsächlich stehen bleiben
und die Eskorte bleibt auch stehen.
Danach man wird angeschnauzt
man solle aus dem Weg gehen.
Dabei tat man nur wie einem geheissen.

«Obacht! En Momänt warte bitte!»
«Obacht! En Momänt warte bitte!»


Ich sag euch eines:
in Hollywood sind die Eskorten plausibler.
Gehe meinen Weg weiter
und lasse die Eskorte hinter mir durch.
Stolz darauf,
als eigenverantwortlicher Bürger
das Richtige getan zu haben.
Bern Bundesplatz
wundere mich über die däpperte Eskorte.
Anderswo, dort hat man Stolz,
da hätte man den Bundesrat
mit Sirene eskortiert.

«Obacht! En Momänt warte bitte!»
«Obacht! En Momänt warte bitte!»


Bern Bundesplatz
Der Berner Kleingewerbler tritt auf die Bremse
um den Faschingsminister passieren zu lassen.
«Obacht! En Momänt warte bitte!»
Obacht! En Momänt warte bitte!
Ich verrecke vor Lachen.
Obacht! En Momänt warte bitte!
Obacht! En Momänt warte bitte!
Der Herr Bundesrat hat einen wichtigen Staatsgast
und möchte, wenn es nicht stört, durch.
«Obacht! En Momänt warte bitte!»
Ja, ja: Obacht! En Momänt warte bitte!

Bern Bundesplatz
Ich schüttele meinen Kopf,
das darf nicht wahr sein.
Bern Bundesplatz
Eine gesichete Bank
und das Regierungsgebäude rahmen dich ein.
Bern Bundesplatz
Ich glaub, ich kann nicht mehr
ich glaub, ich werd krank.
Seh’ nur noch Sterne
und wenn’s so weitergeht,
das Kreuz über meinem Kopf.

Bern Bundesplatz
Steinerner Hauptplatz einer versteinerten Nation.
Stein, so weit das Auge reicht,
engst du den Horizont wie die Berge ein.
Engstirnig ist, was aus dem Bundeshaus kommt.
Engstirnig ist das Volk, das sich hier regiert.
Bern Bundesplatz
Das muntere Wasserspiel läuft nur für die Werbung.
Weisse Fontänen in einer hellgrauen Landschaft,
das ist Farbenlehre aus dem Nebelmeer.
Dabei bräuchte es wenig zum Guten.
Kann denn kein Berner einen Baum pflanzen?

 

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