U2 gehören
zu den Bands, die mit jedem Album besser werden. Und doch
nannte das Time Magazine die Band 1985 als Rock's Hottest
Ticket. Seither lieferte die Band Meisterwerk um Meisterwerk
ab und ist unbestritten die grösste Band. Die Medienberichterstattung
vor der Veröffentlichung des neuen Album Pop stand
der Beatlemania in nichts nach. Doch wie schon beim bisher
besten U2 Album Rattle & Hum, in welchem die Band zu den
R&B-Wurzeln des Rocks aufbrach, fallen auch bei Pop, dem
experimentellsten Album, die Kritiken zwiespälti aus.
Der erste
Eindruck lässt einem kalt, doch schon nach dem zweiten
Mal hören ist es klar, dass Pop auf den ewig rotierenden
Plattenteller kommt. Die Oberfläche der Songs wirkt technoid
und kalt, doch unter der Oberfläche, da kommt ein weites
musikalisches Spektrum zum Vorschein. U2 haben sich noch einmal
modernisert und spielen mit Scatgesang und Sampels. Sie führen
die Entwicklung von Achtung Baby (1991), Zooropa
(1993) und Passengers (1995) fort und klingen doch
vertrauter als bei den vorher genannten Alben.
Zuerst
die Veränderung...
Das langjährige Produzentenduo Brian Eno und Daniel Lanois
wirte bei Pop nur beschränkt mit, federführend
waren der Disc Jockey Howie B. und Flood, welcher in den 80er
Jahren Stepahn Eicher remixt hatte. Dieses Produzentenduo
ist auch für den technoiden Eindruck des Albums verantwortlich.
Mofo geht als reinrassiges Technostück durch,
mit dem Unterschied, dass alles von Menschen und echten Instrumenten
gespielt wurde. Bono meinte zu Mofo, dass dieser Song
sein ganzes Leben zusammenfassen würde. Und diese Erkenntnis
stimme ihn traurig.
Discothèque,
die Vorabsingle, wäre eigentlich ein gutes Heavy Metall
Stück. Doch die Gitarren wurden mehrfach verzerrt und
durch Gitarrensynthesizer gejagt, so dass sie beinahe nicht
mehr erkennbar sind. Dass die Single dennoch als Technostück
durchgeht, sind mit der Tripple-Vinylsinle und der CD-Remix-Single
ganze zehn verschiedene Abmischungen des Songs erhältlich.
Nicht alle sind gelungen, vor allem die Remixes von David
Morales sind allesamt nervig.
Nicht nur
mit Techno auch mit Trip Hop experimentierten U2: Miami
und If You Wear That Velvet Dress sind gerade deswegen
zwei der stärksten Nummern des Albums. Bono erzählte
im Fanclub Magazin Propaganda, dass Allen Ginsberg in einer
TV Show den Text von Miami rezitiert hatte, ohne die Musik
davon zu kennen. Und Ginsberg habe genau den selben Rhythmus
wie die Band gesprochen.
Viele Kritiker
bekunden Mühe mit U2s Wandel von den Politrockern zu
den Ironikern. Deutlich sichtbar in den Rezensinen zu Miami,
worin Bono reimt Miami - my mammy. Und die Stadt folgendermassen
beschreibt: «Manche Orte schauen aus wie deine Tante,
aber es gibt keinen mit Miami vergleichbaren Ort.»
... um
nachNordirland und Jesus zu gelangen
Doch im Gegesatz zu Zooropa und Achtung Baby wagen sich U2
wieder an den Blues und die Themen, welche der Band schlussendlich
Ende der 80er Jahre ein Predigerimage verpassten, Sunday
Bloody Sunday über den Bloody Sunday von 1972 oder
Still Haven't Found What I'm Looking For stehen für
die politreligiöse Periode. Themen, die in den frühen
90er Jahren wenig im Zoo von U2 zu suchen hatten.
Auf Pop
sind Nordirland und Jesus wieder da. Nur weniger aufdringlich.
In If God Will Send His Angels fragt sich Bono, ob
es besser wäre, wenn Gott seine Engel vorbeischicken
würde. Und Wake Up Dead Man ist nichts anderes
als ein Gebet zu Jesus. Allerdings ein Gebet, welches nach
zuviel Whisky in einer Bar gesprochen wird, so ein Kritiker.
Für den Kneipenlärm im Hintergrund sorgte ein Sample
von Les voix mystères Bulgares. Obschon der Song nicht
wie ein gregorianischen Choral daherkommt, ist der Text eindringlich:
«Jesus, bitte hilf mir, ich bin ganz alleine in dieser
Welt, und eine beschissene Welt ist es dazu.» Nach zwei
weiteren Strophen und der Beschreibung, was den Betenden ablenkt,
kommt der als flehentlichen Wunsch verpackten Refrain nachd
er Auferstehung des toten Mannes.
Nordirland
ist in den beiden Songs Staring At The Sun und Please
präsent. Staring At The Sun ist das beste
Britpop-Stück überhaupt und klingt mehr nach den
Originalen aus Liverpool als jeder krampfhafte Versuch von
Oasis. Please ist der eindringliche Wunsch nach Frieden.
Der beste Song - lyrisch gesehen - ist Playboy Mansion: Bono
fragt sich wenn Coke ein Mysterium, Obsession ein Parfum,
Michael Jackson History, Talks Shows Konfession, Schönheit
Wahrheit und Chirurgie die Quelle der Jugend ist, ob er in
dieser hedonistischen Welt den Schlüssel für die
Playboyhütte hat.
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Tracklisting
Discothèque
Do You Feel Loved?
Mofo
If God Will Send His Angels
Staring At The Sun
Last Night On Earth
Gone
Miami
Playboy Mansion
If You Wear That Velvet Dress
Please
Wake Up Dead Man
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Was aus
dem Album wurde
Pop verschwand für ein U2 Album ungewohnt früh
wieder aus den Charts, die weiteren Singleauskoppelungen brachten
keine Nummer Eins mehr. Die Hauptkritik in den USA dem Album
gegenüber lautete, dass es zu europäisch wurde.
Im Videoclip zu Last Night On Earth spielt Samuel Borroughs
mit. Pop ist das beste, aber unbeliebteste Album von U2. Ein
Kritiker giftete in der Kritik zu I'm Not Your Baby, dem Ende
1997 erschienenen Duet mit Sinead O' Connor, dass der Song
besser als das ganze Album sei. Mehr als das ganze Album gab
dann U2s Konzert in Sarajevo im Sommer 1997 zu reden, es war
das erste Konzert einer Rockband nach dem Bosnienkrieg.
1998 veröffentlichten
U2 die Best Of 1980 bis 1990, was die enttäuschenden
Verkaufszahlen wieder wett machte. Während der Promotion
zu All That You Can't Leave Behind distanzierte sich die Band
von Pop. Auf der Elevation Tour kündete Bono Staring
At The Sun jeweils mit den Worten an, dass Pop zu unrecht
unterschätzt wurde. Und auf der Best Of 1990 - 2000 sind
mit Discothèque, Gone und Staring At The Sun immer
noch drei Stücke auf dem Album, eines davon war nie auf
Single erschienen.
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