Davos Platz
13. August 2008


Den Vosprung, den Werner bei den Aufstiegen hat, habe ich bei den Abstiegen, zumeist wandern wir aber nebeneinander. Wir haben uns so viel zu erzählen, dass Werner bewusst anhält, wenn er die Aussicht geniessen möchte. Unser Weg kreuzt immer wieder den Skilift, der in der Schatzalp startet und dem Strelaberg entlang hochführt. Fast ausnahmslos sind wir die einzigen Wanderer, die absteigen. Trotz der vorgerückten Nachmittagsstunde kreuzen wir immer Mountainbiker, die nach dem Gewitter gestartet sind und noch schnell einen Abendtour machen. Und immer wieder orthodoxe Juden im Habit und Tempo wie in der Stadt. Uns kommen zwei orthodoxe Jünglinge entgegen, die den Berg hochschreiten als ob es eben wäre. Im Gegensatz zu den Familienvätern und älteren Herren, die Werner und mich ignorieren, strahlen uns die beiden Jünglinge an und grüssen uns freudig.

Bei einem Maiensäss, von dem man erstmals wieder Blick auf die Ortschaft zu unseren Füssen hat, machen Werner und ich kurz Rast. Wir sind etwas mehr als eine Stunde gelaufen. Während mir Werner mit Freude seine Bezugspunkte wie die St. Johann Kirche zeigt, erfreue ich mich des Blickes auf den See, zum Jakobshorn hinüber und die Landschaft hinab. Vor meinem geistigen Auge versuche ich mir die Langlaufloipe in Erinnerung zu rufen, über die ich am Wintersporttag 1993 gefahren bin. Sechs Uhr, die Kirchenglocken beginnen zu läuten und uns müde Wanderer ins Tag zu begleiten. Wir brechen auf.

Obwohl der Wegeweiser noch eine Wegstunde prophezeit, sind nach etwas mehr als einer Dreiviertelstunde in Davos Platz. Anstatt zum Kirchgemeindehaus zu gehen, schlägt Werner vor, noch schnell im Coop etwas zum Znacht zu kaufen. «Ich nehme das Essen, Du den Wein», schlägt er vor. Da wir in Graubünden sind, wähle ich einen Herrschäftler. Werner geht an die Metzgertheke, von der er mir im Laufe des Tages erzählt hatte. Grosses Hallo, der Metzger erkundigt sich nach der Wanderung. Wie immer zu dieser Jahreszeit nimmt Werner einen mittleren Becher mit Hirschpfeffer. Ich habe nichts dagegen, in Zürich beginnt in den Läden die Herbstzeit mit Wild und Pilzen erst am 1. September. Ich erwähne dies. Werner stellt mich als sein Sängerfreund vor, mit dem er die «Johannes Passion» von Bach gesungen hat. Der Metzger stellt sich mir vor, ich grüsse artig. Unterdessen hat die Kasse gewogen und den Beleg ausgedruckt. «Sie haben Besuch heute», sagt der Metzer, schöpft noch einmal einen Löffel Pfeffer ehe er den Becher verschliesst. Von dieser netten Geste überrascht, bedanken wir uns. Eine halbe Stunde später kommen wir zufrieden, hungrig und müde in Monstein an. Das Auspacken und sich frisch machen dauert mindestens drei Mal so lange wie den Pfeffer zu wärmen und Kartoffelstock zu kochen.


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Ischalp, Davos – 14. August
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