unser Bester
10. Dezember 2008

Die nach der Abwahl von Christoph Blocher (vor Jahresfrist) wild um sich schlagende, desorientierte und in der selbstdeklarierten Totalopposition zur Regierung ihre Parteilinie aus den Augen verloren habende SVP, hat Morgenluft gewittert, um früher als gedacht wieder in den Bundesrat zurückzukehren. Schnell noch hat die Partei unter ihrem selbsternannten Chefstrategen Blocher eine letzte Pirouette hingelegt und der Opposition abgeschworen. Die vereinigte Bundesversammlung hat den von der Volkspartei nominierten Kandidaten zu wählen. Punkt. Neue Argumente gibt es keine: Als wählersträrkste Partei (rund 30%) wäre die SVP nicht im Bundesrat vertreten, sie hat gemäss Konkordanz aber das Recht auf zwei Sitze. Da mit Christoph Blocher gemäss O-Ton einiger prominenter Parteiexponenten der einzig fähige Bundesrat, ja der beste Bundesrat aller Zeiten, abgewählt worden ist, kann nach einem Jahr heillosem Chaos, das nicht in der eigenen Partei, sondern in der Landesregierung ausgemacht wird, der logische Kandidat nur Christoph Blocher heissen. Zumal er nach dem Finanzkollaps vor zwei Monaten als erfolgreicher Unternehmer als einziger über die nötige Erfahrung verfügt, um in einer so schwierigen Situation das Land zu führen. Und da der frei werdende Sitz das Verteidigungsdepartement ist, hat Blocher als Oberst die besten Qualifikationen dazu.

Die Szenen an den Parteiveranstaltungen sind immer dieselben. Stehende Ovationen für Blocher. Alte Männer in Ekstase, die «Christoph! Christoph!» rufen. Man ist sich einig und ruft es in den Saal: «Christoph, du bisch öise bescht!» Unser Bester. Gemäss Parteilogik nominieren die Parteien ihre besten Kandidaten für den Bundesrat und das Parlament als Wahlorgan hat sie mehr oder weniger durchzuwinken. Diese Logik ist eisernes Gesetz. Zumindest seit der Abwahl Blochers vor Jahresfrist. Zuvor versagte man dieses Recht den Sozialdemokraten jahrzehntelang und hat ihre Kandidaturen nach gutdünken gewählt. Blocher und seine Getreuen bereuen auf entsprechende journalistische Bemerkungen öffentlich, man habe damals Fehler gemacht. Und dass nicht erst mit Blochers Fall, sondern schon damals, das Verhalten des Parlaments skandalös gewesen war. Doch das war im letzten Jahrundert. Nun gehe es, bitteschön, um die Gegenwart. Selbstverständlich würde man die offiziellen Kandidaturen der SP wählen. Schliesslich nominierten die Parteien ihre besten Leute für den Bundesrat. Bei der SVP ist das ergo Christoph Blocher. Und überhaupt, Christoph Blocher hat für sämtliche Probleme der Schweiz eine Lösung.

Doch nicht nur die Linke, auch das Bürgerliche Lager, weigerte sich im Vorfeld der heutigen Wahl, Blocher zu wählen. Die lauten Exponenten der Volkspartei reagierten beleidigt, auch wenn es an der Parteibasis Stimmen gab, die einen anderen Kandidaten vorziehen würden. Die SVP Zürich, deren Beschlüsse in den letzten fünfzehn Jahren für die nationale Partei Gebote waren, hat an ihrer ausserordentlichen Delegiertenversammlung eine Einerkandidatur Blocher bestimmt. Seine Nomination war schon vor Parteivorstandssitzung beschlossene Sache. Die Parteispitze, alles langjährige Blocheradlaten, jedoch mit Draht in die Parteibasis, empfahl der Bundeshausfraktion mit Christoph Blocher und einem noch zu bestimmenden Kandidaten anzutreten. Die Bundeshausfraktion, seit den Bündner und Berner Wirren im Sommer nur noch von Blocheranern besetzt, hat brav die Empfehlung abgenickt. Auch hier immer wieder: Unser Bester. Und da dessen Wahlchancen gering sind, muss der Zweitbeste ran: Ueli Maurer, bis im Frühjahr Parteipräsident. Er prägte Blochers hönisch ausgrenzenden Politstil massgeblich mit. Unter seiner zwölfjährigen Ägide wuchs die SVP zur national wählerstärksten Partei.

Die Exponenten der Volkspartei haben Kreide en masse gegessen, man werde kompromissbereit sein. Wichtig ist, dass einer ihrer Kandidaten gewählt wird. Schliesslich hat man ein Drittel des Volkes hinter sich, der zurzeit nicht in der Regierung vertreten ist. Und angesichts der Finanzkrise müssen zum Wohle der Nation alle massgeblichen politischen Kräfte mitwirken. So war das während des Zweiten Weltkriegs, als man die Sozialdemokraten erstmals in die Regierung eingebunden hat. So die gebetsmühlenartig wiederholte Parteilogik. Kleiner historischer Unterschied: Die SVP, und insbesondere die Millionäre um Christoph Blocher, steht für die neoliberale Profitmaximierungspolitik, welche als Ursache der aktuellen Finanzkrise gilt.

Deshalb hat die Linke den Präsidenten des Bauernverbandes, SVP-Nationalrat Hansjörg Walter als Sprengkandidat portiert. Geschlossen wolle man ihn wählen. Walter, wählbar bis in bürgerliche Kreise. Die SVP hat Fraktionszwang bestimmt, Blocher ist zu wählen, bis es ums Ganze geht, dann schwenkt man auf Ueli Maurer um. Sollte Hansjörg Walter gewählt werden, hat er auf die Wahl zu verzichten. Anderenfalls wird er aus der Fraktion ausgeschlossen und habe die Partei als Verräter zu verlassen.

Im ersten Wahlgang 54 Stimmen für Blocher, 67 für Maurer, 119 – drei unter dem absoluten Mehr – für Walter. Zweiter Wahlgang, 2 Stimmen für Blocher, 119 für Maurer, 121 für Walter. Im dritten Wahlgang ist der Kandidat mit den meisten Stimmen gewählt. Wiederum entfallen 121 Stimmen auf Hansjörg Walter. Ueli Maurer erhält eine Stimme mehr, diejenige von Hansjörg Walter. –

Was bleiben wird: Eine Parteispitze, welche die Abwahl ihres Anführers aus der Regierung nicht überwunden hat und ihn trotzig quengelnd nochmals protiert hat. Und landauf, landab alte Männer in Extase, die «Christoph! Christoph!» rufen. Kameras und Mikrofone haben eingefangen, wie stolze Demokraten, oft tatterige Claquere, in einem letzen Aufwallen ihres Testosterons ergriffen rufen: «Christoph, du bisch öise bescht!» Und: «Christoph. Nur du chasch das!» Sie haben geweint nach der Abwahl Blochers und haben mit Tränen in den Augen von seiner – von ihm bestimmten – erneuten Kandidatur erfahren. Ihre Welt ist wieder in Ordnung, auch wenn mit Ueli Maurer nur der Zweitbeste gewählt wurde. Denn Maurer hat in seiner Antrittsrede versprochen, aus der Schweizer Armee die beste Armee der Welt zu machen…

Es ist ein Theater, das einer reifen Demokratie und gestandenen Männern unwürdig ist.


 

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