Mittagessen im Postfach

25. Februar 2020


Erstes Wiedersehen nach einem Vierteljahrundert und einem halben Jahr Terminsuche mit Thomas Meyer. 1992 wurde ich sein Nachfolger in der Redaktion der preisgkrönten Schülerzeitung «Occhio». Ansonsten ignorierten wir uns damals auf dem Pausenplatz.

Am 18. September 2019 zitierte der «Tages-Anzeiger» Meyer, dass ihm ausser Alain Claude Sulzer keine Schriftsteller schreiben würden. Umgehend schrieb ich ihm ein E-Mail mit der Frage, was besser sei als ein Mail von einem Schriftsteller? – Eines von einem Schriftstellerverband, so meine Antwort.

Nach mehreren Verschiebungen ist es nun soweit: Treffpunkt beim «Hiltl Sihlpost» und Mittagessen in der Postfachanlage. Nach der Begrüssung desinfiziert Tom seine Hände. Nach dem Essenfassen beim Buffet und zwischendurch beim Essen nochmals – Michael-Jackson-Syndrom? Nach dem Essen bietet er mir auch vom Desinfektionsmittel an, was ich kaum ablehnen kann.

Das Gespräch über die 25 Jahre seit der Schule und über gemeinsame Bekannte aus der Werbe- und Literaturbranche, bevor wir über ein mögliches Engagement seinerseits beim Zürcher Schriftstellerinnen und Schriftstellerverband ZSV sprechen.

Als wir das Hiltl verlassen, schweift mein Blick über ein Kühlregal, worin ausserhalb der Reichweite von Kindern Corona-Bier angeboten wird. Ich zeige es Tom mit der Bemerkung, dass uns das Virus nun auch erreicht hätte. Wissend murmelt er etwas und steuert den Ein- bzw. Ausgang an. Als wir die Warteschlange kreuzen, dreht er sich zu mir um und fragt unvermittelt, gespielt entrüstet:
«Wiè heisst sy? Corine?»
Sämtliche Augenpaare auf uns gerichtet, fühle ich mich völlig unschuldig als ertappter Liebhaber. Ernst und Schalk als gleichwertiges Brüderpaar auf seinen Schultern habend, freut sich Tom spitzbübisch über seinen Erfolg und sagt lachend:
«Ich liebe das Zürichdeutsche, in keiner anderen Sprache könnte man dies so effektvoll ausdrücken.

Am Abend bestätigt das Tessin den ersten Corona-Fall. Die Berichterstattung im Fernsehen zeigt, wie sich die Spitäler für den Ernstfall rüsten.


 

frühere Beiträge:
ausverkauft – 24. Februar
Geisterstadt – 23. Januar
filmreif – 19. Januar


folgende Beiträge:
erste Absage –3. März
virenfreier Lesestoff – 5. März
zweite Absage – 5 März



zurück zu 2020
zurück zur Blogübersicht
VzfB-Home

 

© 2020 by VzfB | All Rights Reserverd