Binnen zwei
Wochen erscheinen zwei neue Alben von Paul McCartney: Working
Classical mit Kammer- und Orchestermusik von Sir Paul
und Run Devil Run. Letzters ist eigentlich auch ein
klassisches Album, den enthält aussschlisslich Rock n'Roll
Nummern aus den 50er Jahren - mit Ausnahme von drei McCartney-Neukompositionen.
McCartney ist nicht ganz unschuldig daran, dass sichd er Rock
n'Roll in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten weiterentwickelt
hat.
Nachdem vor eineinhalb Jahren seine Frau Linda ihrem Krebsleiden
erlegen war, hatte McCartney ein Trauerjahr eingelegt, während
dem er oft geweint hatte, wie er in einem Interview bekannt
gegeben hatte. Als es ihn nach einem Jahr wieder in den Fingern
gejuckt hatte, wusste er nicht, ob er noch singen könne.
Irgendwann erinnerte er sich an die heilende Wirkung, welche
Rock n'Roll haben könne, und so rief er einige Freunde
an, um mit ihm während zweier Wochen im Mai dieses Jahres
das Album aufzunehmen. In einem Sack hatte McCartney Kugeln
mit den Namen der Titel. Er zog eine und fragte in die Runde,
ob jemand No Other Baby kenne. Und dann gings an die
Arbeit.
Die illustre Band mit Dave Gilmour, Allan Clark, Ian Paice
und Mick Green spielte ungeschliffenen, rauhen Rock n' Roll
ein. Die Kritikerkaste ist sich einig, dass Run Devil Run
besser ist als Choba B CCCP, die 88er Rock n'Roll Scheibe,
die Paul exklusiv für den sowjetischen Plattenmarkt produziert
hatte und Lichtjahre besser als John Lennons Rock n' Roll
von 1975.
Es ist beinahe
unheimlich, dass beim Titelstück Run Devil Run
die Back Vocals genau gleich klingen wie wenn Linda sie gesungen
hätte. Aufgenommen wurde das Stück aber ein Jahr
nach ihrem Tod. Bei Try Not To Cry genierte sich Paul
zuerst vor seinen Kameraden, ob das Stück nicht zu einfach
wäre, doch sie waren begeistert davon. No Other Baby,
die Singleauskoppelung ist das beste - und wie Paul in
den Liner Notes schrieb - das obskurste Stück des Albums.
Movie Magg erzählt eine wahre Geschichte aus Carl
Perkins Leben.
Der Song- und Albumtitel Run Devil Run kann man doppeldeutig
interpretieren. Macca, welcher den Teufel austreiben möchte.
Die wahre Bedeutung ist allerdings die Episode, wie der Titel
entstand. Paul spazierte mit seinem Sohn James durch eine
amerikanische Kleinstadt, als sie an einer Apotheke vorbeikamen,
in welcher Run Devil Run Produkte als Tropfen, Badesalz, Seifen,
etc. verkauft werden. Wirken sollen sie gegen allerlei Unbill
wie böswillige Nachbarn. Dies sei ein guter Albumtitel,
dachte Paul, als ihm James auf die Schaufensterauslage jenes
Drugstores aufmerksam gemacht hatte.
Kammer-
und Orchestermusik
Working Classical ist eine Art Sampler von Paul jüngstem
klassischem Schaffen. A Leaf und Spiral wurden
an der Premiere von Standing Stone, dem Stück,
welches er für das 100 Jahr Jubiläum von EMI Records
1997 komponiert hatte, aufgezeichnet. Die Kammermusikstücke
des Loma Mar Quartetts wurden für eine Gedenkveranstaltung
für Linda McCarteny eingespielt. Und so spielte das Quartett
zumeist auch Songs, welche Paul für Linda geschrieben
hatte, wie beispielsweise My Love.
Zum ersten
Mal auf CD zu hören ist A Leaf in der Orchesterversion.
1995 erschien der Song als Klavierstück auf CD Single,
eingespielt von der damals 22 jährigen georgischen Pianistin
Anya Alexeyew. Die Regel, dass man ein gutes Musikstück
nicht verhunzen kann, bestätigt sich einmal mehr. Sowohl
in der Orchester wie in der originalen Klavierversion ist
A Leaf hervorragendes Stück Musik. Spiral könnte
ein weiterer Versuch aus Standing Stone sein, es klingt
ebenso wagnerianisch zäh.
Die Neuinterpratitionen
von Pauls Rock- und Popsongs als Kammermusikstücke lassen
einem zum Teil das Blut in den Adern gefrieren, so schön
und gelungen sind sie. Maybe I'm Amazed, vielleicht
der beste McCartneysong überhaupt, und des Komponisten
Lieblingsstück, verleiht einem in der locker beschwingten
Klassikfassung Hühnerhaut. She's My Baby - original
auf dem 76er Album Wings At The Speed Of Sound zu finden
- einer der meist unterschätzten Songs, The Lovely
Linda und Golden Earth Girl ab Off The Ground
sind echte Entdeckungen, während Calico Skies und
Somedays, beide ab Pauls 97 Meisterwerk Flaming
Pie, in ihrem neuen Gewand richtig aufgehen.
Bei Working Classical lässt sich nichts bemängeln,
ausser dass in den Kammermusikstücken etwas zu oft die
hohen Töne gespielt werden, und dass das Album noch Orchestermusik
enthält. Aber vielleicht macht gerade dies seinen Charme
aus. McCartney, der mit seinem Liverpool Oratorio und
Standing Stone zumindest als interessante neue Stimme
im klassischen Segment betrachtet wird, hat sein reiches und
vielfältiges Werk um ein schönes Stück ergänzt.
Man darf auf seine weiteren klassischen Kompositionen gespannt
sein.
Paul
McCartney, eher ritterlich als wie ein Rockstar, vor einem
seiner Gemälde bei der Vernisage der Ausstellung im deutschen
Siegen. Foto: David Eustache aus dem CD Booklet von Working
Classical
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Tracklisting:
Blue
Jean Bop
She Said Yeah
All Shooked Up
Run Devil Run
No Other Baby
Lonesome Town
Try Not Cry
Movie Magg
Brown Eyed Handsome Man
What It Is
I Got Stung
Honey Hush
Shake A Hand
Party
Tracklisting:
Junk
A Leaf*
Haymakers
Midwife
Spiral*
Warm And Beautiful
My Love
Maybe I'm Amazed
Calico Skies
Golden Earth Girl
Somedays
Tuesday**
She's My Baby
The Lovely Linda
Loma
Mar Quartett
* London Symphony Orchestra conducted by Lawrence Foster
** London Symphony Orchestra conducted by Andrea Quinn
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